Rohfaser


Allgemeines


Unter Rohfaser versteht man eine sehr unterschiedliche Gruppe von Futterbestandteilen. Der überwiegende Teil besteht aus fasrigen Pflanzenteilen. Rohfaser ist nicht mit Ballaststoffen gleichzusetzen, da Rohfaser nur einen Teil der Ballaststoffe ausmacht.

Die Zusammensetzung der Rohfaser hängt mit dem Analyseverfahren zusammen. Der Rohfaser-Gehalt wird durch kochen des Futters in verdünnten Säuren und Laugen bestimmt. Alles was bei diesem Vorgang aufgelöst wird und nicht Fett, Eiweiß oder Asche ist, bezeichnet man als Rohfaser.

Im Wesentlichen handelt es sich um Stützsubstanzen der Pflanze. Zum Beispiel Cellulose, Hemincellulosen (Pentosane, Hexosane) und Lignin.
Bestandteile der Nahrungsfasern nach Wiesemüller & Leibetseder (1993):

  • Cellulose: Hauptbestandteile der pflanzlichen Zellwände. Unlöslich in Wasser. Säugetiere verfügen über keine Enzyme zur Spaltung. Cellulose kann von einigen Mikroorganismen jedoch verdaut werden
  • Hemicellulose: Ein Bestandteil pflanzlicher Zellwände. Bei Verholzung ist diese Matrix zusätzlich von dem Makromolekül Lignin durchdrungen und bildet so Lignocellulose.
  • Lignin: Wird bei älteren Pflanzen in die Zellwand eingelagert und bewirkt dadurch die Verholzung der Zelle (Lignifizierung)
  • Pektin: Enthalten in den Mittellamellen und primären Zellwänden und übernehmen dort eine festigende und wasserregulierende Funktion
  • Chitin: Bildet bei Pilzen einen der Hauptbestandteile der Zellwand und bei Gliederfüßern (Arthropoden) ist es Hauptbestandteil des Exoskeletts

Abbildung 1: Schemadarstellung der Zellwand. Cellulose bildet zusammen mit anderen Rohfaserbestandteilen und Proteinen die Zellwand. Cellulose und Hemicellulose sorgen für ein stabiles Gerüst. Pektin trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei und spielt zusätzlich eine Rolle bei der Wasserregulation.

Urheber: LadyofHats; public domain; Orginaldatei (Stand Oktober 2023)

Aufbau


Bei Rohfaser handelt es sich um chemisch gesehen, mit Ausnahme von Lignin, um Kohlenhydrate. Die Kohlenhydrate bestehen aus chemisch komplexen Nicht-Stärke-Polysacchariden (NPS). Lignin hingegen ist ein komplexes Polymer aus Phenylpropaneinheiten (Ludolph 2006).

Die Cellulosemoleküle bilden die fasrigen Bestandteile der pflanzlichen Zellwand. Die langen, starre Cellulosemoleküle lagern sich zu Mikrofibrillen zusammen. Jede dieser Mikrofibrillen besteht aus Hunderten von Celluloseketten. In diese Matrix sind Hemicellulose und Pektine eingelagert, welche zur Stabilität und Wasserregulation beitragen.

Durch Cellulose kann die Pflanze zwar starken Zugkräften standhalten, ist Druck gegenüber aber empfindlich. Um Druckkräften standzuhalten wird Lignin in die Zellwand eingelagert. Lignin bewirkt dadurch eine Verholzung der Zelle.

Verwertung und Verdauung


Die Pflanzenfaser lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Einen löslichen, viskösen und fermentierbaren Teil und einen unlöslichen Teil.

Zu den löslichen Fasern zählen nach Ludolph 2006:

  • Pektine
  • Inulin
  • Guar-Gum
  • Oligofructose
  • andere Schleim- und Gummistoffe

Zum unlöslichen Teil zählen

  • Cellulose
  • Hemicellulose
  • Lignin
  • Lösliche und gut fermentierbare Fasern werden in verschiedenen Teilen des Verdauungstraktes zu Wasserstoff, Methan, Kohlendioxid und kurzkettigen Fettsäuren abgebaut.

Der Verdauungstrakt wird bei Säugetieren von unterschiedlichen Mikroorganismen besiedelt. Insbesondere bei Pflanzenfresser tragen diese mal mehr, mal weniger zur Verwertung der Pflanzenfasern bei. Säugetiere verfügen über keine Enzyme welche die Cellulose verdauen können. Allerdings sind unterschiedliche Mikroorganismen in ihrem Verdauungstrakt dazu in der Lage Cellulose zu verwerten. Die bei der Verwertung durch die Mirkoorganimen entstehenden kurzkettigen Fettsäuren können vom Wirtstier als Energiequelle genutzt werden. Pflanzenfresser verfügen hierbei entweder als Vormagenfermentierer über geräumige, kompartimentierte Mägen oder als Dickdarmfermentierer entweder einen großen, zum Teil gekammerten Blinddarm oder ein großes Colon (Fritz 2007).

Vorraussetzung für eine optimale Nutzung sind nach Fritz (2007):

  • ständigen intensive Durchmischung
  • lange Verweilzeit der Nahrungspartikel, da es sich um einen zeitintensiven Prozess handelt
  • starke Zerkleinerung der Faser um die Oberfläche der Partikel für eine effektive Fermentation zu vergrößern und um an die löslichen Zellinhaltsstoffe zu gelangen

Bei Vormagenfermentierer laufen die Prozesse sehr langsam ab. Sie sind aber effektiv, da die Verdauungsprodukte gleich im Dünndarm resorbiert werden können. Bei Dickdarmfermentation wird Qualität durch Quantität ersetzt. Durch die geringere Speicherzeit im Magen nehmen sie mehr Futter auf und verarbeiten diese schneller. Dabei wird weniger Methan produziert, weshalb sie dadurch weniger Energie verlieren. Die löslichen Nährstoffe werden bei Dickdarmfermentierern körpereigen verdaut und im Dünndarm resorbiert. Von den Mikroorganismen gebildet Nährstoffe werden von einigen Tierarten mit Hilfe von Koprophagie genutzt (Fritz 2007).

Kleinen Pflanzenfressern müssen große Mengen an Nahrung aufnehmen um ihren Energiebedarf zu decken. Die Nahrung wird daher schneller durch den Darm geschleust, weshalb Zellwände nicht verdaut werden können, da dies längere Zeit in Anspruch nehmen würde. Pflanzenfresser wie das Kaninchen gewinnen die meiste Energie daher nicht aus mikrobieller Verdauung sondern aus der Resorption der Zellinhaltsstoffe im Dünndarm (Fritz 2007). Durch selektive Aufnahme leichter verdaulicher Bestandteile von Pflanzen sind kleine Tiere zudem in der Lage die Einschränkungen durch ihre kleine Körpermasse auszugleichen. Zudem zeichnen sich kleine Pflanzenfresser durch einen besonders großen Blinddarm aus, welcher Hauptort der mikrobiellen Verdauung ist und kleiner Nahrungsbestandteile länger zurückhalten kann (Fritz 2007).

Abbildung 3: Celluloseverdau. Verschiedene Tierarten können Cellulose unterschiedlich gut nutzen. Kaninchen als kleine Pflanzenfresser können nur knapp 20 % der Cellulose nutzen, bei Rundschwanzseekühen sind es bis zu 80 %.

Nach Fritz (2007) lassen sich Pflanzenfresser in drei Nahrungsgruppen einteilen: Grasäser, Laubäser und Intermediärtypen. Grasäser ernähren sich von Gräsern, welche silikathaltig sind und oft einen hohen Fasergehalt haben. Sie können Fasern besser nutzen als Laubäser. Laubäser ernähren sich vornehmlich von zweikeimblättrigen Pflanzen wie Blättern und Zweigen sowie Rinden von Sträuchern, Büschen und Bäumen.

Bedeutung in der Tierernährung


Der Rohfaser kommen in der Ernährung unterschiedliche Bedeutungen zu. Der unverdauliche Teil der Rohfaser übernimmt eine wichtige darmregulierende Funktion bei der Verdauung.

Wenig fermentierbare Faser hat einen positiven Einfluss auf Kotqualität, Passagerate und Kotabsatzfrequenz. Außerdem wird die Kotmenge gesteigert. Diese regulierende Wirkung der Rohfaser beruht auf dem Wasser-Bindungsvermögen und der Wirkung auf die Darmflora (Ludolph 2006). Zusätzlich stimulieren Faserstoffe die Darmschleimhaut und erhöhen so deren Widerstandskraft gegenüber Bakterien (Cheeke und Patton 1980).

Ein zu hoher Gehalt an unverdaulichen Fasern hingegen kann die Aufnahme von Nährstoffen beschränken (Nehring 1972).
Ein Einfluss des Rohfasergehaltes der Ration auf Schneidezahnwachstum und den Abrieb der Zähne konnte anhand von Untersuchungen an Zwergkaninchen nicht bestätigt werden. Entscheidend sind Struktur und Beschaffenheit der Rohfaser, da diese Art und Dauer der Futteraufnahme beeinflussen (Hansen 2012).

Die physikalische und chemische Struktur der Rohfaser ist entscheidend. Rohfaser kann in unterschiedlicher Form vorliegen. Cellulose kann eine mikrokristalline bis langfasrige Struktur haben. Dementsprechend unterschiedlich ist die Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt.

Aspekte der physikalische und chemische Struktur der Rohfaser:

  • Unterschiedliche Fasern werden von verschiedenen Tierarten unterschiedlich effektiv verdaut. So nutzen Kaninchen vor allem Pektin und Xylan (Fekete 1993), während Seekühe einen großen Anteil an Cellulose nutzen können (Fritz 2007)
  • Lösliche Fasern haben im Gegensatz zu unlöslichen Fasern eine hohe Wasserbindungskapazität (Ludolph 2006)
  • Die Wasserbindungskapazität der Rohfaser steigt mit zunehmender Partikelgröße (Ludolph 2006)
  • Wird die Faser verdaut verliert sie ihre Struktur aufgehoben und die Fähigkeit Wasser zu binden geht verloren. Bleiben Fasern erhalten bleibt das Wasser gebunden und geht mit dem Kot verloren (Ludolph 2006)
  • Der Zerkleinerungsgrad der Faser kann Einfluss auf die Passagezeit nehmen. Zu klein vermahlene Faser verlangsamt die Magen-Darm-Passage (Laplace und Lebas 1977)

Quellen


Cheeke P.R. and Patton N.M. (1980): Carbohydrate-overload of the hindgut – a probable cause of enteritis, J. Appl. Rabbit Res. 3, 20 – 23
Fekete S.; Ernährung der Kaninchen; in: Ernährung monogastrischer Nutztiere, Kapitel 4; Wiesemüller, W. und Leibetseder, J. [Hrsg.], G.

Fischer; Jena, Stuttgart; 1993; ISBN: 3-334-60428-4

Fritz, J. (2007): Allometrie der Kotpartikelgröße von pflanzenfressenden Säugern, Reptilien und Vögeln. Dissertation, LMU München, S.66-103

Hansen S. (2012): Untersuchungen zum Ca-Stoffwechsel sowie zur Zahnlängenentwicklung und -zusammensetzung von Chinchillas bei Variation der Ca-Zufuhr und des Angebots von Nagematerial , Dissertation, Hannover

Laplace, J.P. and Lebas, F. (1977): Digestive transit in the rabbit, 7. Effects of grinding fineness of the feed ingredients before pelleting, Ann. Zootech. 26, 413 – 420

Ludolph A. (2006): Einfluss von Rohfaser auf die Haarausscheidung mit dem Kot bei der Katze und die Kotmenge beim Hund. Diss.

Nehring K. (1972): Lehrbuch der Tierernährung und Futtermittelkunde. 9. Aufl. Verlag Neumann-Neudamm, Melsungen

Wiesemüller, W. & Leibetseder, J. (1993): Ernährung monogastrischer Nutztiere. Jena, Stuttgart: G. Fischer. ISBN 3-334-60428-4.